KiSS-Syndrom – Osteopathie Hamburg – Ralf Freitag

Ist osteopathische Therapie bei Säuglingen mit KiSS-Syndrom wirksam? Was verbirgt sich hinter dem Begriff und was können Spätfolgen sein?

Das KiSS-Syndrom ist eine Abkürzung und bedeutet Kopfgelenk-induzierte-Symmetriestörung. Das Kopfgelenk ist das Gelenk zwischen Kopf, also Schädel und erstem Halswirbel, dem sogenannten Atlas.

Eingeführt wurde dieser Begriff vom Chirurgen Heiner Biedermann 1993. Und es geht hier um eine Fehlstellung in diesem Kopfgelenk und der Wirbelsäule durch Blockierung oder Muskelzug. Die Ursachen vom Kisssyndrom sind vielfältig. Da gibt es zum einen die Geburtstraumen. Zum Beispiel bei der Verwendung einer Saugglocke entsteht sehr, sehr viel Zug, ebenso auch mit der Zange. Dann beim sogenannten Kristellern, das ist der Begriff, wenn die Hebamme oder der Arzt sehr stark von oben auf den Bauch der Mutter drückt, um das Kind sozusagen weiter hinauszuschieben.

Dabei kann es zu starken Engpässen kommen und Drucksituationen. Kaiserschnitt ist auch eine Möglichkeit, wenn man sich vorstellt, dass das Baby ja nicht von vielen Seiten Kompression erfährt, wie bei einer normalen Geburt, sondern es wird eigentlich am Kopf rausgezogen. Dabei gehen die Babys häufig entgegen Spannung und ziehen ihre Schultern hoch und verspannen ganz stark ihre Nackenmuskulatur, um sich damit zu schützen. Ebenso kann durch Unfälle vor oder nach der Geburt ein Kiss Syndrom ausgelöst werden.

Zudem alles, was dem Kind Platz wegnimmt, das kann die Lage der Gebärmutter sein, also eine spezielle Lage ist oder generell nicht viel Platz dort ist. Bei Becken Endlagern, Querlage ist das auch noch mal ein Thema, weil das Baby nicht optimal liegt. Können Platz wegnehmen in der Gebärmutter. Bei Zwillingen Mehrlingsgeburten ist generell weniger Platz. Da müssen sich dann zwei oder mehrere Babys den Platz dort teilen oder auch ein sehr hohes Gewicht beim Baby kann dazu führen. Ebenso lange Wehen oder vorzeitige Wehen, die sehr stark auf das Baby einwirken.

Die Kompression und das Baby hält sehr, sehr viel Druck auf den Kopf. Man unterscheidet beim Kisssyndrom zwei verschiedene Arten. Kiss eins erkennt man zum Beispiel durch eine fixierte asymmetrische Haltung oder auch Haltung Bananenhaltung. Das Kind wölbt sich mit dem ganzen Körper zur Seite. Man spricht hier auch von einer Zwangshaltung, das heißt, das Kind kann das selber gar nicht auflösen oder nur mit sehr, sehr großer körperlicher Anstrengung. Man sieht weiterhin beim KiSS-Syndrom eins Kopf und Gesichts Asymmetrien, zum Beispiel eine Gesichtshälfte ist deutlich kleiner als die andere.

Manchmal sieht man auch bei den Augen einen Unterschied. Das eine Auge ist etwas größer als das andere oder es ist weiter geöffnet als das andere, oder? Ich sehe auch häufig, dass dann auf der einen Seite Bindehautentzündung oder Reizung entstehen, auf der anderen Seite dann nicht asymmetrische Schädelform, das heißt, der Kopf ist auf einer Seite abgeflacht als auf der anderen, dann haarlose Flecken auf dem Schädel. Also dort, wo der Kopf häufig liegt, wächst nicht das Haar richtig. Man kann eine erhöhte Spannung in Halt zu Besäule feststellen, einen sogenannten erhöhten Muskeltonus.

Später kann sich ein asymmetrisches Robben zeigen, also ungleichmäßige Betonung der Beine der Arme. Auch beim Krabbeln kann sich das zeigen. Viele rutschen dann auch den Po, statt zu krabbeln. Ganz häufig zeigt sich auch eine Lieblingsseite, dass der Kopf nur nach rechts oder links gedreht werden mag. Beim Kiss zwei zeigt sich vor allen Dingen eine Überstreckung nach hinten, das heißt, die fixierte Haltung führt zu einer vermehrten Rückbeuge. Die machen dann so einen Bogen nach hinten.

Dort sieht man dann am Hinterkopf, dass es dort abgeflacht ist oder ein kahler Fleck an der hinteren Mitte des Kopfes und das Baby liegt immer wie ein Flitzebogen und sucht im Bett häufig auch nach Kontakt zur Begrenzung zum Bettrand. Im Säuglingsalter haben diese Kinder Schwierigkeiten beim Saugen. Der Saugreflex ist schwach oder kann ganz fehlen. Weiter beobachtet man Sabbern durch den fehlenden Mundschluss und manchmal ein Reflux durch den zu lockeren oberen muskulären Verschluss des Magens.

Beim KiSS-Syndrom findet man auch einen verlängerten Murreflex, das heißt, das Baby zeigt auch nach dem dritten Lebensmonat eine Schreckreaktion, bei der es die Arme und den Kopf ruckartig nach hinten zieht. Wenn das bestehen bleibt, führt das häufig dazu, dass diese Kinder dann, wenn sie später fallen, sich nicht nach vorne abstützen können. Später zeigt sich dann die Schwierigkeit, in den Handtellerstütze zu kommen. Die Vertikalisierung des Babys, also das Immer mehr aufrecht werden vom Unterarm stütz zum Handtellerstütz, dann zu diesen Schwimmbewegungen und zum Robben, später zum Bärenstand und zum Krabbeln.

Sitzen und Laufen ist ja ganz essenziell. Und die muss über die Bauchlage erfolgen. Versuchen die Kinder das nicht so, dass es für sie nur eingeschränkt möglich. Dann rutschen sie häufig auf den Po, um das zu kompensieren und po rutschen es dann einfach nicht physiologisch bei der Entwicklung des Babys, beim Krabbeln und Vorankommen. Ich würde gerne noch mal ein bisschen was zu erklären, wie es überhaupt zu diesen ganzen Beschwerden kommt. Im Schädel gibt es zwei Durchtrittstellen, einmal auf der rechten und auf der linken Seite ganz nah zum Atlas, wo drei wichtige Hirnnerven hindurchtreten.

Das ist einmal der Nervus Hippoglossus, Das ist der Nerv, der die Muskulatur der unteren Zunge versorgt. Da kann es zum Beispiel zu Saugschwächen kommen. Ein weiterer wichtiger Hirnnerv, der dort hindurchtritt, ist der Nervus Wagus. Der hat sehr viele Aufgaben, unter anderem für das Verdauungssystem und somit kann es auch zu Verdauungsstörungen kommen. Ebenso ist der Gegenpart zum Stressnerv eine Ursache für Schreikinder. Kann deswegen auch ein KiSS-Syndrom sein.

Und der dritte Hirnnerv ist der Nervus Accessorius. Das ist ein Nerv, der den Trapezversorgt. Das heißt, dass es die Nackenmuskulatur unter anderem. Und damit kann es eben zu einem unterschiedlichen Turnus der Muskulatur kommen. Also der Muskel ist unterschiedlich gespannt, sodass der Kopf zur Seite gezogen wird. Wenn ein Kissyndrom nicht behandelt wird, kann es unter anderem zu folgenden Symptomen kommen. Das Stillverhalten ist nicht auf jeder Seite gleich. Also das Kind nimmt die rechte und linke Brust unterschiedlich.

Das kann natürlich auch an dem Milchfluss der Brust liegen, Aber manchmal kann man das testen, indem man das Baby einfach mal durch reicht. Also mit der gleichen Kopfdrehrichtung einmal die rechte und linke Brust trinken lassen und dann einfach noch mal im Vergleich auf der anderen Seite, sodass das Kind einmal nach rechts gucken muss und einmal nach links. Und wenn es dort Unterschiede gibt, dann kann es unter anderem daran liegen, dass eine unterschiedliche Muskelspannung im Hals vorliegt. Wie schon erwähnt, ist ja der Vagus der Gegenspieler vom Stress. Das heißt Kinder sind sehr aufgedreht und weint viel.

Die KiSS-Syndrom-Babys zeigen häufig auch eine geringere Frustrationsgrenze. Kinder können durch Schlafstörungen zeigen. Da die Verdauung schlechter laufen kann, neigen diese Babys manchmal auch zu den Dreimonatskoliken. Für die Behandlung des Kiss Syndroms gibt es verschiedene Möglichkeiten. Es gibt eine spezielle KiSS-Syndrom- oder eine Atlas-Therapie. Dort wird vom Arzt meist mit einem kurzen Impuls dem Zeigefinger versucht, den Wirbel wieder in die richtige Position zu schieben. Einige Ärzte machen vorweg ein Röntgenbild, um sich eine genaue Lage des Atlas zu verschaffen, des ersten Halswirbels.

Häufig wird hier aber manipuliert, das heißt der Wirbel wird eingerenkt. Dazu gibt es sehr unterschiedliche Meinungen, ob das bei einem Baby Sinn macht oder nicht. Die Gesellschaft für Neuropädiatrie zum Beispiel warnt vor einem Einrenken oder einer Manipulation in dem Bereich. Alternativen zur KiSS- oder Atlastherapie wären zum Beispiel Physiotherapie, dort besonders die Bob Art oder Woita Therapie, aber eben auch Osteopathie oder Craniosakraltherapie. Wenn ich als Osteopath ein KiSS-Syndrom behandel.

Wie behandelt ein Osteopath das KiSS-Syndrom?

Ich versuche das möglichst sanft zu machen. Ich renke nicht ein, sondern schaue, wie ist die Spannung in dieser Region im Nacken Halsbereich. Dies versuche ich dann durch sanfte Technik zu lösen. Bestehende Asymmetrien versuche ich auszugleichen. Wenn ein Schädel abgeflacht ist, bereits eine sogenannte Plagiozephalie. Dann behandle ich dieses auch über längere Zeit. Das heißt, das Knochengewebe muss immer wieder stimuliert werden. Das ist seine Wachstumsrichtung wieder in die korrekte Richtung vornimmt.

Das Ganze wird mit den Händen behandelt. Häufig kommt es einem bei der Osteopathie so vor. Der legt ja nur die Hände ganz ruhig drauf. Das ist so was wie Handauflegen oder ähnliches. Nein, es ist tatsächlich eine der Schulmedizin sehr nahe Technik. Die Osteopathie wurde ja auch von Schulmedizinern in Amerika um 1885 entwickelt, von dem Dr. Still. Und es ist eine sehr, sehr genaue anatomisch Betrachtung, der Osteopath stellt zudem Relation im Körper her. Also er guckt nicht nur auf einen Teil im Körper, sondern schaut, wie steht dieser Teil mit den übrigen in Beziehung?

Beispiel: das Baby hat Bauchschmerzen. Dann untersuche ich jetzt nicht nur den Bauch, was vielleicht ein Arzt tun würde, sondern ich schaue auch wie sind die Relation zur nervlichen Versorgung. Das heißt, der Nervus Vagus ist hier wieder was ganz wichtiges in die Partie, also führt es mich auch wieder zum Kopfgelenk und das muss auf jeden Fall auch untersucht werden. Osteopathie ist eben deswegen auch so beliebt, weil sie sehr, sehr sanft ist. Beim Baby lässt sich das Ganze auch noch relativ leicht behandeln. Im Vergleich zum Erwachsenen, der da schon viel, viel fester im Gewebe ist, brauchen wir hier gar nicht so lange oder so viel Druck anwenden.

Mittlerweile ist es so, dass die Kosten der Osteopathie von vielen, vielen Krankenkassen übernommen wird. Einige bezahlen bis zu 80 %, andere beteiligen sich mit 30 oder 40 €. Das hängt ganz von Ihrer Krankenkasse ab. Dazu würde ich immer empfehlen, vorher einmal nachzufragen. Zum Osteopathen selbst können Sie immer kommen. Wir arbeiten autark, das heißt, wir sind nicht weisungsgebunden vom Arzt. Einige Krankenkassen erfordern aber ein Rezept oder eine formlose Überweisung, damit die Kosten von der Krankenkasse übernommen werden.

Einen weiteren, spannenden Beitrag habe ich zusammen mit der Kinderorthopädin Dr. Sandra Breyer aus Hamburg in einem Live gehalten. Hier der Link zu YouTube:

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